Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Über Georgien gibt es derzeit viel zu lesen und zu hören. Das postkommunistische Land hat nach Jahren der Orientierungssuche offenbar seinen Weg gefunden und strebt mächtig Richtung Europäische Union. Das wichtige Assoziierungsabkommen mit der EU ist zusammen mit der Republik Moldau und der Ukraine vor wenigen Monaten unterzeichnet worden. Doch Ruhe und Stabilität kehren nicht so richtig ein. Im Gegenteil. Die Ereignisse in der Ukraine lösen auch deutliche Befürchtungen in Georgien aus.

 Tegel-Istanbul-Tbilissi: Am 25.8.2014 flogen wir für 1 Woche nach Georgien. Sieben Stunden Flug. Ankunft am späten Nachmittag. Obwohl Klaus Bergmann, unser neuer Vorsitzender, die Reise auch hier hervorragend vorbereitet hat und uns  jeden Tag mit neuen Highlights überraschte, konnten wir uns noch gar nicht vorstellen, wie es sein würde, eine ganze Woche mit vollem Programm aussehen würde. Nun sind wir in einer anderen Welt angekommen und wollen, nach kurzem Zwischenstopp im Hotel, mit der Entdeckung der Stadt beginnen. Mit der modernen Seil-Zahnradbahn, Funiculor genannt, fahren wir auf den Berg Mtazminda. Die Sommersonne ist hinter den Hügeln verschwunden und mit ihr die brütende Hitze des Tages: in Tbilissi gehen die Lichter an. Das ist ein hübsches Vorspiel. Hat sich die Dunkelheit über die georgische Hauptstadt gelegt, dann leuchtet, flackert und glitzert Tiflis zur blauen Stunde und wird zum Lichtermeer.

Tbilissi by Nght - Foto: EOWA

Tbilissi by Nght – Foto: EOWA

Über Jahrzehnte dominierte graue Tristesse die sozialistische Stadt. Stück für Stück ist Tiflis mit der wiedergewonnen Unabhängigkeit zu einer aufstrebenden, bunten und quirligen Metropole geworden. Neben einem der Wahrzeichen der Stadt, ein aus den frühen siebziger Jahren stammender, wuchtiger TV Tower aus Stahlrohrstreben der mit einer auf gesetzten Kugel wie eine Sputnik Weltraumarchitektur wirkt, gibt es in einem aufwendig renovierten Baukomplex elegante Restaurants und angesagte Clubs. Dort haben wir mit viel Lust und Genuss zu Abend gegessen. Den besten Panoramablick auf die illuminierte Stadt gibt es von hier aus. Und genau dorthin hat uns unsere Reisebegleiterin Ekaterina als erstes geführt. Sie ist stolz auf „ihr Tiflis by Night“.

Einstieg für eine Reise nach Georgien :-) - Foto: EOWA

Einstieg für eine Reise nach Georgien 🙂  Foto: EOWA

Am nächsten Tag wurden wir um 11.00 im Goethe Institut erwartet. Dort begrüßte uns der Institutsleiter Stephan Wackwitz, ein kultureller Kosmopolit, der schon viel von der Welt gesehen hat, doch hier sei seine Station absolut „aufregend“. Der im württembergischen geborene Institutsleiter hat sich als Schriftsteller und Publizist einen Namen gemacht, zahlreiche Preise wurden ihm verliehen und natürlich hat er hier über Land und Leute geschrieben: „Die vergessene Mitte der Welt – Unterwegs zwischen Tiflis, Baku, Eriwan“ heißt sein jüngst im S.Fischer Verlag erschienenes Buch. Wir erfahren viel über die gesellschaftlichen Umbrüche, über religiösen Einfluß und die aktuellen multinationalen politischen Konflikte und Spannungen in der Region. Natürlich wird immer wieder Russland an erster Stelle genannt, aber da sind auch noch Armenien und Aserbajdschan zu erwähnen. Zusammen mit seiner Stellvertreterin Nadja Nigeladzaja organisiert und koordiniert er eine ganze Region. Denn vom Standort Tiflis aus kümmert sich das Goethe Institut als so genanntes Vollinstitut auch um die Kontakte und den Austausch mit den angrenzenden Ländern Armenien und Aserbaidschan. Eine spannungsgeladene Region also, in der das Haus mit seinen vielen Aktivitäten ein gern besuchter und lebendiger Treffpunkt ist: Sprachkurse, Lehrerausbildung, internationaler Kulturaustausch, gesellschaftlicher Treffpunkt, Filme, Vorträge und Diskussions-abende füllen den Kalender.

Nach einer kurzen Imbisspause bei Kaffee und Bagels laufen wir durch die Stadt und treffen um 14.00 Uhr im Georgia Europe House mit Maia Nikoaishvili zusammen.  Sie führt als Executive Director diese im Jahr 2009 gegründete NGO mit den Schwerpunkten Bürgerdialog, Kultur und Bildung. Studiert hat sie an der renommierten London School of Economics. Sie zählt zu der selbstbewussten jungen Generation, die sich leidenschaftlich für die europäische Orientierung Georgiens einsetzt. Das Georgia Europe House organisiert Austauschprogramme, arbeitet an der Zusammenführung und dem Dialog der ethnischen Minderheiten, möchte Politik, Wirtschaft und Kultur zusammenführen und muss sich ebenfalls um Fundraising bemühen.

St. Georg Thront über dem Freiheitsplatz – Foto: EOWA

Eine Stadt erkundet man am besten zu Fuß, und so passieren wir die Prachtstraße Rustaveli Avenue, kommen am Freiheitsplatz mit der prächtigen Säule und der im Sonnenlicht glänzenden Statue des Heiligen Georg vorbei und betrachten staunend die neo-maurische Fassade des nach Plänen des deutschen Architekten Paul Stern umgebauten Rathauses.

Am späten Nachmittag treffen wir zu einer Unterredung mit dem Minister für Kultur und Denkmalschutz, Mikheil Giorgadze zusammen. Gerade drei Wochen ist er im Amt. Davor war er ein Musik –und Festival Manger und hat im Konzertbusiness mitgemischt. Jetzt muss er andere Themen verfolgen und er freut sich, für sein Land zu arbeiten. Auf seinem Schreibtisch liegt ein dickes Buch mit dem Titel „Georgische Geschichte“. Um den Denkmalschutz und um die Restaurierung des baulichen Erbes will und muss er sich kümmern. Bald wird er nach Brüssel reisen und wie viele andere ums Geld feilschen. Aus einem entsprechenden EU Finanzprogramm in Sachen Denkmalschutz sollen auch Mittel nach Georgien fließen. Die vielen Kirchen im Land und die verfallenen Altstädte haben es bitter nötig.

Bethlehem Viertel - Foto: EOWA

Bethlehem Viertel – Foto: EOWA

Abends streifen wir durch das Bethlehem Viertel, einem der ältesten Stadtteile mit vielen prächtigen Stadtpalais und Bürgerhäusern geadelt mit dem UNESCO Weltkulturerbe.

 

Katschapuri frisch aus dem Ofen - Foto: EOWA

Katschapuri frisch aus dem Ofen – Foto: EOWA

Irena Popiashvili - Foto: EOWA

Irena Popiashvili – Foto: EOWA

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir blicken im Vorbeigehen in den Keller eines Hauses, durch das offene Fenster wird frisch gebackenes Brot verkauft.

 

 

Im angrenzenden Restaurant „Purpur“ füllt sich der Tisch mit regionalen Leckereien – wir sind hungrig und „schlagen kräftig zu“. Mit dabei ist für einige Stunden die georgische Künstlerin Irena Popiashvili – Dekanin von VADS – Visual Arts and Design School (Private Uni). Wir kommen mit ihr ins Gespräch über zeitgenössische Kunst und die heimische Kulturszene. Einige unserer Reisegruppe haben noch nicht genug und fahren zu später Stunde noch mit der Seilbahn hinauf zur Mittelalterlichen Burgfestung Narikala.

Am nächsten Tag besuchen wir das Budrugana Gagra Handschattentheater. Ein Ereignis. Wer Tiflis besucht, sollte die Hand- und Schattenkünstler besuchen und sich vom virtuosen Schattenspiel verzaubern lassen.

Vier Jahreszeiten von Budrugana Gagra - Foto: EOWA

Vier Jahreszeiten von Budrugana Gagra – Foto: EOWA

Budrugana würde nicht bestehen, noch wäre sie so erfolgreich ohne seinen Gründer Gela Kandelaki. Seit über 30 Jahres lehrt und managt der Regisseur und Dramaturg Schauspieler und die Produktionen. In 2002 bekam Budrugana den Gagra um zu reflektieren, dass die Film&Theater Studenten abchasische Flüchtlinge waren. Seit 2010 hat das Haus sogar den Status eines Staatstheaters.

Gela Kandelaki - Foto: EOWA

Gela Kandelaki – Foto: EOWA

Im Anschluss machen wir uns auf den Weg zum GPB – dem Georgischen Öffentlichen Fernsehen. Einige von uns haben beruflich mit Medienarbeit- und Politik zu tun. Mit rund 1000 Mitarbeitern wird ein Vollprogramm (3 Radiokanäle und zwei TV Sender) produziert.

Vielseitiger Georgienkenner Rainer Kaufmann - Foto: EOWA

Vielseitiger Georgienkenner Rainer Kaufmann – Foto: EOWA

Nach einem ausgiebigen Mittagessen sind wir mit Rainer Kaufmann und Götz Martin Rosin verabredet. Kaufmann, im badischen unweit von Bruchsaal geboren, war früher TV-Journalist und hat nach dem Fall des eisernen Vorhangs viele Jahre für die ARD über die Entwicklungen in den unabhängig gewordenen Ländern und Regionen berichtet. In Georgien hat er sich nun niedergelassen, betreibt ein Restaurant, führt ein kleines Reisebüro und hat zusammen mit dem Redakteur Götz Martin Rosin die „Kaukasische Post“ (www.kaukasische-post.com) aus dem Dornröschen Schlaf geholt. Die im Jahr 1906 gegründete Zeitung war die einzige deutschsprachige Publikation in Georgien bzw. im Kaukasusgebiet. Die Zeitung existierte mit einer kurzen Unterbrechung während des 1.Weltkriegs bis zum Jahr 1922 und wurde kurz nach dem Einmarsch der Roten Armee eingestellt. Seit 1994 gibt die Zeitung wieder. Heute erscheint sie alle zwei Monate und die beiden Redakteure haben die Zeitung zu einer gut informierten und kritischen Stimme in der georgischen Medienlandschaft gemacht.

Kaufmann erzählt im zweistündigen Gespräch über die Entwicklung des Landes seit der Unabhängigkeit, analysiert die aktuelle politische Szene und ihre Akteure. Das Land habe große Fortschritte gemacht. Es gebe eine vielseitige Medienlandschaft, eine freie Presse und die Korruptionsbekämpfung habe bereits große Erfolge erzielt. Markwirtschaftliche Strukturen zu etablieren sei ein langwieriger Prozess, mit dem sich noch viele Bürger schwer tun. Die junge Generation gehe hier mit Engagement, Unternehmergeist und Flexibilität voran. „Flexibel“ sei auch die politische Eilte des Landes. Parteien würden neu gegründet, umbenannt oder wieder aufgelöst. Das Personal wechsele mitunter schnell die Seiten und die Ämter. Kontinuität sehe anders aus. Aber es sei ja schon einmal schlimmer gewesen.

Die enormen Anstrengungen, die sich aus dem mit der EU unterzeichneten Assoziierungsabkommen für die georgische Wirtschaft und Politik stellen, müssten erst einmal bewältigt werden. Beispiel Verkehr: die Einführung von EU Standards in Sachen Verkehrssicherheit, also die Einführung von so genannten TÜV Standards, könnte dazu führen, dass mindestens ein Drittel aller Fahrzeuge sofort aus dem Verkehr gezogen werden müssten. Natürlich würde der Verkehr sicherer werden, aber viele könnten sich ein Auto dann nicht mehr leisten. Und vom Besitz eines Autos seien viele Jobs abhängig. Die ohnehin schon hohe Arbeitslosigkeit würde noch dramatisch steigen.

Dass im kaukasischen Straßenverkehr eigene Regeln herrschen, lernt der Besucher binnen weniger Stunden. In Tiflis wird gehupt und gefahren was die Kiste hergibt. Wer als Fußgänger die Straße nicht zügig überquert, dem werden Beine gemacht. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt es zwar, aber die entsprechenden Schilder werden locker ignoriert. Selbst das Taxifahren treibt dem Fahrgast den Angstschweiß auf die Stirn: mit 90 Sachen durch die Innenstadt kostet Nerven. Deutsche Autos sind beliebt und je mehr PS unter der Haube sind, desto besser. Das Auto ist ein Statussymbol, überholen ist ein Volkssport und ein Neuwagen der Traum jedes Georgiers. Draußen auf dem Land sind die Schlaglöcher zahlreicher, asphaltierte Straßen sind nicht durchgängig vorhanden und so manche Schotterpiste kostet mächtig Zeit und ramponiert zudem das Fahrgestell.

Kaufmann signiert am Ende unseres Gespräches noch einige Exemplare seines hervorragenden Reisebuches („Georgien – Ein Reise Lesebuch“, ERKA Verlag 2009) und dann ziehen wir weiter. Wir landen zum Abendessen in einem georgischen Brauhaus, das so auch in Deutschland zu finden ist. Auf der kleinen Bühne spielt eine Band, mal singt eine Schlagersängerin oder ihr Kollege nationales und internationales Liedgut.

Eka weiß was lecker ist! - Foto: EOWA

Ein Hoch auf Eka’s leckere Empfehlungen – Foto: EOWA

Khachapuri hat sich inzwischen als stete Vorspeise in unserer Reisegruppe etabliert, gefolgt von Tomaten und Gurkensalat mit Walnusssoße. Am Nebentisch nehmen vier Georgier ihr Abendessen ein: Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein drei Liter Stiefel Bier und eine Flasche Wodka. Wir hingegen genießen den hervorragenden Wein und sind mit der Live Musik so in Stimmung gekommen, dass einige von uns ein Tänzchen wagen. Nach zwei Liedern ist die Tanzfläche voll und alle Gäste klatschen, lachen und jeder redet mit jedem und irgendwie versteht man sich, denn Musik verbindet und kennt keine Sprachbarrieren.

Auch der nächste Tag ist heiß. Das Thermometer wird die 35 Grad Marke berühren und unser Minibus hat zum Glück eine funktionierende Klimaanlage. Die können wir gut brauchen, denn ein Tagesausflug führt uns in den Großen Kaukasus. Die Fahrt dauert gut vier Stunden und es geht auf der uralten georgischen Heerstraße entlang des Tergi Flusses immer tiefer in die Berge. Die Landschaft ist wunderbar und wird uns mehr und mehr in ihren Bann ziehen. Wir kommen über den 2700 m hohen Kreuzpass, halten an Aussichtspunkten und staunen über die Natur. Unser Ziel ist Stepanzminda, die Kleinstadt liegt rund 1700 m hoch und wird malerisch von den Kaukasus Bergen eingerahmt. Der schönste und höchste von ihnen ist der 5047 m hohe Qasbegi (oder Mqinwarzweri) mit seiner Gletscherkuppe. Dort, so will es die Sage, soll Prometheus einst den Göttern das Feuer gestohlen haben. Zur Strafe wurde er an den Berg gekettet.

Der große Qasbegi/Mqinwarzweri - im Vordergrund die Dreifaltigkeitskirche Zminda Sameba

Der 5047 m hohe Qasbegi/Mqinwarzweri – im Vordergrund die Dreifaltigkeitskirche Zminda Sameba – Foto: EOWA

Wenige Kilometer weiter liegt die russische Grenze. Blickt man hinauf zum Berg, sieht man dort die berühmte Dreifaltigkeitskirche Zminda Sameba, eines der Wahrzeichen Georgiens. Auf einem vorgelagerten Plateau stehen auf 2400 Meter der Kirch- und der Glockenturm seit dem 14. Jahrhundert einträchtig nebeneinander, eine architektonische Paarung wie sie schöner kaum sein kann.

Hier sind mutige Fahrkünstler gefragt! - Foto: EOWA

Hier sind mutige Fahrkünstler gefragt! – Foto: EOWA

Dann geht es hinauf. Wir steigen um in kleine Geländewagen und erleben wieder was georgische Fahrkunst bedeutet. Die steinige, vom Regen ausgewaschene Schotterpiste geht steil bergauf und ist so eng, dass sich die Fahrzeuge beinahe touchieren. Es wird geflucht und gehupt, rangiert und vermutlich viel gebetet: Eine Leitplanke gibt es nicht und der Blick geht direkt in den Abgrund. Nach gut vierzig Minuten sind wir oben. Der letzte Kilometer führt über eine langgezogene Hochfläche. Familien machen Picknick, Pilger beten, Pferde galoppieren und die Stimmung schwankt zwischen Volksfest und Feiertagsatmosphäre. Ein beeindruckendes Schauspiel, über dem der mächtige Berg thront und ein blauer Himmel seinen Segen gibt.

Am nächsten Tag besuchen wir das üppig beflaggte Büro von Transparency International und diskutieren mit einem jungen selbstbewussten Anwalt und Projektleiter. Er informiert uns über die wichtigsten Grundsätze der Mitte der neunziger Jahre verabschiedeten Verfassung und betont, dass sie sich an das deutsche Rechtssystem anlehne. Transparency Georgia beobachtet, wie sich Verfassung und Verfassungswirklichkeit zu einander verhalten, interessiert sich für die Durchführung von Wahlen, übernimmt das Monitoring von Gerichtsfällen, beobachtet den Mediensektor und die Vergabe von Staatlichen Aufträgen durch Ausschreibungen. Antikorruptionsmaßnahmen hätten Wirkung gezeigt und das Vertrauen in die Institutionen sei nach kritischen Jahren deutlich gestiegen.

Gori, Stalin Museum - Foto: EOWA

Gori, Das Haus in dem Stalin aufgewachsen ist – Foto: EOWA

Nachmittags fahren wir nach Gori, der Geburtstadt Josef Stalins, und besuchen das ihm gewidmete Museum. Es ist ein unwirklicher und beklemmender Besuch. Es scheint, als ob die Zeit stehengeblieben wäre. Das Museum ist noch immer unverändert, so als ob sich draußen in der Welt nichts verändert hätte.

Darstellung der millionenfachen Vernichtung von Minderheiten - Foto: EOWA

Darstellung der millionenfachen Vernichtung von Minderheiten – Foto: EOWA

Lediglich zwei kleine Zimmer, so genannte „Räume der Opfer“, die nur auf Nachfrage aufgeschlossen und gezeigt werden, sind ein kleiner Kontrast zu dem in diesem Museum sonst vorherrschenden Kult und der Verherrlichung von Stalins Werk und Leben.

Servietten an Tuch getackert: Lächerliche Darstellung der sowjetischen Gulage - Foto: EOWA

Ohne Worte: Die Darstellung von Stalins Gulag – Servietten an Tuch getackert – Foto: EOWA

Hier haben Historiker und Museumsleute noch viel Arbeit vor sich um die notwendige Ausgewogenheit und einen souveränen gesellschafts-politischen Kontext herzustellen.

Natürlich Weltkulturerbe: Höhlenstadt Uplisziche

Natürlich Weltkulturerbe: Höhlenstadt Uplisziche – Foto: EOWA

Unser nächstes Ziel liegt nur wenige Kilometer von Gori entfernt: Die ehemalige Festungs-und Höhlenstadt Uplisziche. Wir steigen über die großen, glattgeschliffenen Felsen hinauf zur Fürstenkirche mit ihren schönen Fresken, dem höchsten Punkt der Anlage. Sie stammt aus dem 10. Jahrhundert. Seit Jahren wartet dieses Baudenkmal auf den UNESCO Welterbe Status. Die 3000 Jahre alte Stadt ist ein beeindruckendes Zeugnis und Dokument einer frühen Urbanisierung. Eine erste Besiedlung gibt es seit der Bronzezeit. Seine Restaurierung vor gut zehn Jahren wurde auch mit Mitteln der Weltbank ermöglicht. Wer Georgien besucht, sollte hier Halt machen.

Alte Hauptstadt erleuchtet: Mzcheta - Foto: EOWA

Alte Hauptstadt erleuchtet: Mzcheta – Foto: EOWA

Einen Besuch wert ist gleichfalls die alte Hauptstadt Mzcheta. Im Mittelalter war sie Königsresidenz und geistliches Zentrum. Das Stadtzentrum ist mit seinen Kirchen, Bürgerhäusern und den Resten der Stadtmauer wunderbar restauriert. Der zentrale Stadtplatz ist wie eh und je Treffpunkt der Bürger. Man sitzt auf Mäuerchen oder im Café, Jugendliche balancieren auf dem Skateboard und Teenager stehen in Gruppen zusammen, hier die Jungs und da die Mädchen, Blicke wandern hin und her. Es ist 22.oo Uhr, die Kirchturmuhr schlägt und das Thermometer zeigt noch immer 26 Grad.

Georgischer Löwe (Nationalmuseum) - Foto: EOWA

Georgischer Löwe (Nationalmuseum) – Foto: EOWA

Am Samstagvormittag entdecken wir das Georgische Nationalmuseum und lernen im Rahmen einer hervorragenden Führung die archäologischen Schätze des Landes kennen. Filigran gefertigte Goldschmiedearbeiten, die zu den ältesten Schmuckstücken gehören (ca. 5000 Jahre alt) werden präsentiert. Die wunderbare kleine Skulptur des „Goldenen georgischen Löwen“ findet sofort unsere Bewunderung.

Für den Nachmittag haben wir eine Unterredung mit dem Premierminister Georgiens, Irakli Garibaschwili bestätigt bekommen. Wir fahren zum Amtssitz, der mitten in der Stadt liegt. Das Treffen findet im Kabinettssaal statt. Überall im Haus ist neben der georgischen Flagge die Europa Fahne zu sehen. Wir werden mit Handschlag begrüßt. Der Premierminister ist erst 32 Jahre alt, hat an der Sorbonne studiert und im Finanzbusiness gearbeitet. Er kam im Jahr 2012 nach dem Wahlsieg des Bündnisses „Georgischer Traum“ erstmalig ins Kabinett und wurde als Innenminister berufen. Dann folgte im Oktober 2013 die Ernennung zum Premierminister. Der Politiker würdigt die Bedeutung der deutsch-georgischen Beziehungen und die Hoffnungen die mit der Orientierung hin zur EU verbunden sind. Natürlich spricht er ebenfalls die komplizierte internationale Gemengelage rund um den Ukraine Konflikt und die damit verbundenen Befürchtungen an. Garibashvili hofft, dass die positive Entwicklung des Landes auch Exilgeorgier zur Rückkehr in ihre Heimat bewegen könne. Deren Erfahrung und Know-how werde im Land dringend gebraucht.

Toptermin: Gespräch mit dem georgischen Premier Irakli Garibashvili

Toptermin: Gespräch mit dem georgischen Premier Irakli Garibashvili

Wir sprechen über die Veränderungen in der georgischen Gesellschaft und die unumkehrbaren Errungenschaften der Demokratie, wie beispielsweise Versammlungs- und Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, die Möglichkeit Parteien zu gründen und freie Wahlen durchzuführen. Wie viel es in diesem Land noch zu tun gebe, so der Premier, hätten wir vermutlich bei unserer Reise selbst gesehen. Doch dies sei eine Aufgabe für Generationen. Zum Schluss ein Appell: Georgien brauche Freunde in aller Welt, vielseitige Unterstützung und Solidarität.

Am Abend haben wir viel Gesprächsstoff. Eka, unsere Reiseführerin, hat uns zum Aperitif in ihr Restaurant gebeten- Sie ist unter anderem auch Gastro Unternehmerin und führt das Restaurant/Café zusammen mit zwei Geschäftspartnern.

Es gibt so viele Gründe anzustossen!

Es gibt so viele Gründe anzustossen! – Foto: EOWA

Danach geht es zum Essen. Wir gehen in ein riesiges hallenartiges Restaurant mit Platz für gut 200 Personen. Es ist voll und die Stimmung ist richtig gut. Hier wird gerade eine Hochzeit gefeiert. Ein langer Tisch ist noch für uns frei. Es dauert nicht lange und wir werden in diese schöne Stimmung mit hineingezogen. Wir werden offiziell begrüßt, ein Toast auf die deutsch-georgische Freundschaft wird ausgesprochen und der DJ spielt die inoffizielle deutsche WM-Hymne „An Tagen wie dieser…“.

Georgischer Tanz - foto: EOWA

Georgischer Tanz – foto: EOWA

Wir bekommen Weinkaraffen auf den Tisch gestellt und auch die anderen im Saal vertretenen Reisegruppen aus dem Iran und Polen werden musikalisch gewürdigt. Höhepunkt des Abends aber sind die atemberaubenden georgischen Tänze einer Volkstanzgruppe in Landestracht. Nach Mitternacht steigen wir ins Taxi – erschöpft aber sehr glücklich.

 Am letzten Tag unserer Georgienreise besuchen wir morgens die Synagoge in Tiflis und kommen mit einem sehr netten Rabbi ins Gespräch. Die jüdische Gemeinde sei zwar klein hier, aber es gebe sie wieder, sagt er und strahlt.

Lasha Bakradze und Ekaterina - Foto: EOWA

Lasha Bakradze und Ekaterina – Foto: EOWA

Zum zweiten Frühstück kommen wir anschließend mit Prof. Lasha Bakradze zusammen. Er hat Archäologie, Theologie, Politik, Geschichte und Germanistik studiert und spricht perfekt Deutsch. Er hat in Berlin, Bern, Jena und Cannes gelebt und ist nach Georgien zurückgekehrt und ist heute eine starke Kraft in der gegenwärtigen Kulturentwicklung des Landes. Darüber hinaus ist er Leiter des Staatlichen Literaturmuseums und lehrt an der Uni Tiflis. Mit ihm sprechen wir über die Kultur- und Gesellschaftspolitik und schlagen einen Bogen von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Es war ein packendes Gespräch und leider viel zu kurz. Wir sollten ihn nach Berlin einladen und eine Veranstaltung machen.

 

DSC01387

Georgiens Gold! – Foto: EOWA

Danach führte uns der Weg ins „Weinland“ Kachetien und zum Chateau Eniseli.

Jahrhundert alte Tradition: Weinanbau - Foto: EOWA

Jahrhundert alte Tradition: Weinanbau – Foto: EOWA

 

 

 

 

 

Die Weinprobe mit dem jungen Winzerehepaar ist red- und weinselig und das Weingut ein lebendes Museum. Seit 1875 wird hier Wein angebaut. Überall hängen alte Familienfotos und geschmackvolle Souvenirs an der Wand. Der Großvater reiste gern und viel, und so hat er vieles mit nach Hause gebracht.

Leckereien zur Weinverköstigung

Leckereien zur Weinverköstigung – Foto: EOWA

Seit Generationen führt die Familie das Weingut und produziert auf hohem Niveau. Georgien hat einst Weingeschichte geschrieben und zählte zu den frühesten Anbauländern. Die Sowjetisierung hat dem Land auch hier großen Schaden zugefügt. Auf das Unabhängigkeitsstreben Georgiens nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat Russland als Hauptweinimporteur mit Sanktionen geantwortet, was den Absatzmarkt einbrechen ließ. Um neue Märkte zu erschließen, hat Georgien viel Kraft in eine Verbesserung der Qualitätsstandards gesteckt – mit erfreulichen Resultaten. Wir haben unser „Tröpfchen“ gefunden. Einen geschmack- und gehaltvollen Wein aus Kachetien – und prompt haben wir ihn im nächsten Restaurant wieder entdeckt!

Treffpunkt in Sighnaghi - Foto: EOWA

Treffpunkt in Sighnaghi – Foto: EOWA

Auf der Rückfahrt nach Tbilissi gab es noch einen Kurzbesuch in Sighnaghi. Die Stadt auf dem Hügel bot wunderbare Blicke auf die weiten Ebenen. Ein schneller Kaffee und dann zurück in die Hauptstadt – die Koffer müssen gepackt werden.

Wir haben Georgien in diesen 7 Tagen von vielen Seiten gesehen und kennengelernt. Es ist aufregend und schön, gastfreundlich und beindruckend großzügig. Die Menschen hier können großartig improvisieren, das organisieren jedoch kann noch besser werden. Georgien öffnet sich der Welt.

Die Tourismuszahlen verbessern sich stetig. Die Menschen kommen und sie interessieren sich für dieses Land. Fahren Sie hin, es lohnt sich!

Bericht: Stefan Hammer-Szybalski                                Layout: Eva Szybalski

Ekaterina, unsere leidenschaftliche Georgische Begleiterin Foto: EOWA

Ekaterina, Georgien in Person – Gamarjoba – Wir danken Dir! Foto: EOWA