EinBlick Serbien, (C) Sophie Strähhuber

Künstlertreffen in der 18m-Galerie in Berlin-Schöneberg am 17. und 18. Juli 2010. Performance, Bildende Kunst, Literatur, Film

Die gute Fußball-Nationalmannschaft dürfte eine der positivsten Assoziationen sein, die einem in den Sinn kommen, wenn man über Serbien spricht – am häufigsten fällt der Name dieses Landes noch immer im Zusammenhang mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Auch unsere Vorstellung von Serbien war eher undeutlich. Sie speiste sich größtenteils aus politischer Berichterstattung und Bildern orthodoxer Kirchen. Wie aber sehen Städte wie Belgrad, Novi Sad oder Subotica heute aus, wie der Alltag dort? Welche kulturellen Szenen haben sich in den letzten Jahren entwickelt, woran wird angeknüpft, wie ist die Beziehung zu anderen exjugoslawischen Kulturen? Welche Bücher werden dort geschrieben/gelesen? (2011 ist Serbien Gastland auf der Leipziger Buchmesse!) Diese Fragen haben uns veranlasst, erste Recherchereisen zu unternehmen und den Menschen, die uns begegneten, zuzuhören.

Man erzählte uns von der kosmopolitischen Erfahrung der älteren Generationen und der Enge und Isolation, in der sich die Jungen heute in Serbien befänden. Von einem Verlust der Fähigkeit, über den nationalen Tellerrand hinauszuschauen und dem gleichzeitigen Wunsch, auch irgendwann zur EU zu gehören. Und wir erlebten eine latente Skepsis den Deutschen gegenüber, die Mitverursacher der Bombadierung Belgrads waren.

Wir begegneten aber auch jungen Künstlern, Wissenschaftlern und Kulturschaffenden, deren Weitsicht, Engagement und luzide kritische Distanz in Hinblick auf das heimische Kulturgeschehen uns beeindruckte. Einige von ihnen haben wir nach Berlin eingeladen, um den Gedankenaustausch fortzuführen und das wechselseitige Kennenlernen zu befördern. Sie haben uns neugierig gemacht mehr über Serbien zu erfahren. Diese Erfahrung möchten wir gerne durch unseren kleinen EinBlick mit unserem Publikum teilen – am Wochenende 17./18. Juli jeweils ab 18h in den Räumen der Galerie 18m.
Julie August (18 m Galerie) und Carola Dürr (EOWA)

Programm:

17. Juli 2010

18:00 Vortrag mit Lesung: Jan Krasni (Belgrad), Wie Löwenzahn auf dem Beton. Einblicke in die serbische Literatur der Jahrhundertwende (dt.)

Eine Besichtigung der Orte und Unorte der serbischen Literatur. Ein Spaziergang in die Vergangenheit der letzten Jahre und zurück in die Gegenwart und nahe Zukunft. Ein Streifzug entlang von Grenzgebieten, durch Ausgrenzungen, Ab- und Eingrenzungen – Grenzüberschreitungen inklusive: bitte den Pass mitnehmen.

20:00 Vortrag mit Filmausschnitten: Zorana Popovic (Belgrad), Serbia in Frame. From arts to populism in Serbian cinema (en.)

Das serbische Kino hat vor allem durch Emir Kusturica und einige Regisseure wie Goran Paskaljevic, Srdjan Dragojevic oder Srdjan Golubovic internationale Anerkennung erhalten. Doch wie sieht es mit der Szene jenseits von Koproduktionen mit westlichen Geldgebern aus? Popovic beleuchtet Autorenfilm, populäre Komödien und die subversive junge Szene und stellt sie in den Kontext von lokalen und internationalen Produktionsbedingungen.

 

18. Juli 2010

18:00 Performance: Art Klinika (Novi Sad), Reconstruction of the crime und Präsentation von Arbeiten der Künstlergruppe Art Klinika (en.), anschließend Diskussion

Exemplarisch für verschiedene künstlerische Aktivitäten zeigt Art Klinika bei 18m eine Performance. Art Klinika, das letzte Projekt der Gruppe Led Art (Ice Art), wurde 2002 in Novi Sad als Antwort auf die »kranke Gesellschaft« gegründet. Ausgangpunkt ist die utopische Vorstellung, dass Kunst die Welt verändern und heilen kann. Art Klinika sucht den Dialog und ist offen für alle Arten von Zusammenarbeit. Es fördert Künstler mit neuen, provokanten Zugängen zur Kunst und kümmert sich um künstlerischen Nachwuchs. Art Klinka hat sich allmählich zu einem multimedialen Kulturzentrum entwickelt – bei 18m berichten einige der Mitglieder von den Aktivitäten und stellen sich in einer Diskussion der Frage vom Verhältnis von Kunst und Gesellschaft.

Jan Krasni studierte Germanistik und Medienwissenschaft in Belgrad, Rostock und Konstanz. Er ist Mitherausgeber verschiedener Publikationen zu serbischer Literatur, hat eigene wissenschaftliche Texte und Lyrik veröffentlicht und übersetzt deutsche Literatur ins Serbische. Seit 2009 ist er Assistent am Lehrstuhl für Germanistik an der Universität Belgrad.
Zorana Popovic schloss 2001 die Fakultät für dramatische Kunst in Belgrad ab. Aufbaustudium in Cultural und Gender studies beim Alternative Academic Educational Network in Belgrad und in europäischem Kultur- und Medienmanagement an der Kunsthochschule Utrecht. 2003–2006 Mitarbeiterin beim IFA Stuttgart. Monitoring und Auswertung von Mediaprojekten in der Region Südost-Europa. Seit 2006 eigene Produktionsfrma »Nova production« in Belgrad. Zur Zeit auch Dozentin für Film- und Fernsehproduktion.
Art Klinika, das letzte Projekt der Gruppe Led Art (Ice Art), wurde 2002 in Novi Sad als Antwort auf die »kranke Gesellschaft« gegründet. Einige der Protagonisten sind Nikola Dzafo, Vesna Grgincevic und Nikola Macura. Ausgangpunkt ist die utopische Vorstellung, dass Kunst die Welt verändern und heilen kann. Regelmäßige Aktivitäten: Art Klinika organisiert Einzel- und Gruppenausstellungen (dienstags), Vorträge, Diskussionen, Lesungen (mittwochs), Abendakt (donnerstags) Film- und Videoscreenings (freitags) sowie Workshops und Theaterperformances (an wechselnden Tagen). Projekte: Perspectives, In Memoriam – The Varadin Bridge, the National Museum Night, Children’s New Year, »Crime Scene«, »To the Parliament with a Tank«, etc. Art Klinika betreibt eine Notfall-Apotheke, einen Laden für Kunstobjekte und Bücher (Book shop Velikoškolska). Art Klinika arbeitet mit Personen und gleichgesinnten Organisationen zusammen, die das Ziel verfolgen, auf lokaler Ebene eine passive und autistische Kulturpolitik zu verändern.